Finanzdienstleistungsgesetz FIDLEG:
eine Übersicht
Regelungsinhalt
Das FIDLEG enthält die Regeln für die Erbringung von Finanzdienstleistungen und für das Anbieten von Finanzinstrumenten. Es stellt zu diesem Zweck Verhaltensregeln auf und enthält Anforderungen an die Organisation der Finanzdienstleister.
Das FIDLEG enthält die Vorschriften für die Beraterregister und verpflichtet die Kundenberater zur Eintragung, soweit sie nicht für ein von der FINMA bewilligtes Finanzinstitut tätig sind (Art. 28 bis Art. 34 FIDLEG).
Das FIDLEG regelt die Pflicht zur Erstellung eines Prospekts für Effekten, die Anforderungen an den Inhalt des Prospekts, seine Veröffentlichung und stellt Vorschriften für die Prüfung des Prospekts und die Prospekthaftung auf (Art. 35 bis Art. 73 FIDLEG).
Das FIDLEG regelt die Errichtung von Ombudsstellen, deren Verfahren und die Pflicht der Finanzdienstleister und/oder Kundenberater zum Anschluss an eine dieser Ombudsstellen (Art. 74 bis Art. 86 FIDLEG)
Das FIDLEG enthält Strafbestimmungen für die Verletzung von Verhaltensregeln, die Verletzung der Vorschriften über Prospekte und Basisinformationsblätter und für das unerlaubte Anbieten von Finanzinstrumenten (Art. 89 bis Art. 92 FIDLEG).
Kundensegmentierung
Das FIDLEG stellt verschiedene Verhaltensregeln auf, die in ihrer Anwendbarkeit und Tragweite von der Einteilung der Kunden in eine von drei Klassen abhängig sind:
Kundensegmentierung: Die vom Finanzdienstleister betreuten Kunden sind in eine der folgenden Kategorien einzuteilen:
- Privatkunden;
- Professionelle Kunden;
- Institutionelle Kunden.
Diese Klassifizierung bestimmt den Umfang und Anwendungsbereich der Verhaltensregeln.
Opting-in und Opting-out: Ein Kunde hat unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, für eine andere als seine definitionsgemässe Kategorie zu optieren:
- Wechsel in eine höhere Kategorie mit reduziertem Kundenschutz = Opting-out;
- Wechsel in eine tiefere Kategorie mit erhöhtem Kundenschutz = Opting-in.
Die Vorschriften zur Kundensegmentierung finden sich in Art. 4 und 5 FIDLEG.
Zuordnung von Produkten, Transaktionen und Dienstleistungen: In der Praxis sind auch die Finanzdienstleistungen dahingehend zu klassifizieren, für welche Kundengruppe sie sich eignen oder angemessen sind. Darüber hinausgehend ist aber im Einzelfall auch die persönliche Situation des Kunden zu berücksichtigen.
Erfordernis hinreichender Kenntnisse
Kundenberaterinnen und -berater müssen über hinreichende Kenntnisse über die Verhaltensregeln nach diesem Gesetz sowie über das für ihre Tätigkeit notwendige Fachwissen verfügen (Art. 6 FIDLEG).
Was als "hinreichend" gilt, bestimmt sich nach der konkreten Tätigkeit des Kundenberaters und seiner hierarchischen Stellung im Betrieb. Das Erfordernis hinreichender Kenntnisse ist auch Voraussetzung für die Registrierung eines Kundenberaters im Beraterregister (Art. 29 Abs. 1 Bst. a FIDLEG).
Informationspflicht
Der Finanzdienstleister hat die Kunden über sich selbst, seinen Aufsichtsstatus, die Risiken von Finanzinstrumenten und die Kundenrechte (Ombudsverfahren) zu informieren.
Zusätzlich erforderlich ist eine Kundeninformation zur konkret empfohlenen Finanzdienstleistung und deren Risiken und Kosten. Dem Privatkunden ist das Basisinformationsblatt und gegebenenfalls der Prospekt zur Verfügung zu stellen (Art. 7 bis Art. 9 FIDLEG).
Angemessenheit und Eignung von Finanzdienstleistungen
Der Finanzdienstleister darf einem Kunden nur Finanzdienstleistungen anbieten, die für den Kunden angemessen oder geeignet sind.
Angemessenheitsprüfung: Erfolgt bei der Anlageberatung für einzelne Transaktionen, ohne Berücksichtigung des gesamten Kundenportfolios. Die Frage lautet, ob die empfohlene Transaktion für den Kunden angemessen ist und ob der Kunde über die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, um die Anlageempfehlung zu beurteilen.
Eignungsprüfung: "Ein Finanzdienstleister, der die Anlageberatung unter Berücksichtigung des Kundenportfolios oder die Vermögensverwaltung erbringt, muss sich über die finanziellen Verhältnisse und Anlageziele sowie über die Kenntnisse und Erfahrungen der Kundin oder des Kunden erkundigen. Diese Kenntnisse und Erfahrungen beziehen sich auf die Finanzdienstleistung und nicht auf die einzelnen Transaktionen" (Art. 12 FIDLEG).
Bei professionellen Kunden besteht eine Vermutung dahingehend, dass diese über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen und die mit der Finanzdienstleistung einhergehenden Anlagerisiken finanziell tragbar sind (Art. 13 Abs. 3 FIDLEG). Bei der Erbringung von Finanzdienstleistungen gegenüber institutionellen Kunden wird keine Prüfung verlangt (Art. 20 Abs. 1 FIDLEG).
Dokumentation und Rechenschaft
Die mit dem Kunden vereinbarten Finanzdienstleistungen, die über den Kunden erhobenen Informationen und die erbrachten Finanzdienstleistungen sind zu dokumentieren (Art. 15 Abs. 1 FIDLEG).
Bei der Anlageberatung dokumentiert der Finanzdienstleister zusätzlich die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden sowie die Gründe für jede Empfehlung, die zum Erwerb oder zur Veräusserung eines Finanzinstruments führt (Art. 15 Abs. 2 FIDLEG).
Dem Kunden ist auf Anfrage die Dokumentation des Finanzdienstleisters in Kopie zur Verfügung zu stellen sowie auf Anfrage über die vereinbarten und erbrachten Finanzdienstleistungen, die Zusammensetzung, Bewertung und Entwicklung des Portfolios und über die mit den Finanzdienstleistungen verbundenen Kosten Rechenschaft abzulegen (Art. 16 FIDLEG). Man beachte: Zusätzlich gelten auch die Rechenschaftspflichten des Schweizerischen Obligationenrechts beim Auftragsverhältnis (Art. 400 OR).
Transparenz und Sorgfalt bei Kundenaufträgen
Die Bearbeitung von Kundenaufträgen erfolgt nach dem Grundsatz von Treu und Glauben. Es gilt das Prinzip der Gleichbehandlung der Kunden (Art. 17 Abs. 1 FIDLEG).
Best execution: Es ist sicherzustellen, dass bei der Ausführung von Kundenaufträgen das bestmögliche Ergebnis in finanzieller, zeitlicher und qualitativer Hinsicht erreicht wird (Art. 18 Abs. 1 FIDLEG). In finanzieller Hinsicht sind neben dem Preis für ein Finanzinstrument auch die mit der Ausführung des Auftrags verbundenen Kosten sowie die Entschädigungen Dritter zu berücksichtigen.
Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Kundenaufträge ausführen, sind den Verhältnissen angemessene Weisungen über die Ausführung von Kundenaufträgen zu erlassen.
Finanzdienstleister dürfen nur unter gesetzlich stark eingeschränkten Voraussetzungen Finanzinstrumente aus Kundenbeständen als Gegenpartei borgen oder als Agent solche Geschäfte vermitteln (Art. 19 Abs. 1 und Abs. 2 FIDLEG). Ungedeckte Geschäfte mit Finanzinstrumenten von Privatkunden sind nicht zulässig (Art. 19 Abs. 3 FIDLEG).
Organisatorische Massnahmen
Das FIDLEG verlangt von den Finanzdienstleistern eine ganze Reihe von organisatorischen Massnahmen. Die Erfüllung der Pflichten aus dem Gesetz ist durch angemessene interne Vorschriften und eine angemessene Betriebsorganisation sicherzustellen. Dabei gilt insbesondere:
Ausbildung und Qualifikation der Mitarbeiter: Finanzdienstleister stellen sicher, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die für ihre Tätigkeit notwendigen Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen verfügen. Das entspricht Art. 6 FIDLEG.
Finanzdienstleister, die für ihre dem FIDLEG unterstellte Tätigkeit keiner Bewilligung der FINMA bedürfen, müssen sicherstellen, dass ihre Kundenberater im Beraterregister eingetragen sind (Art. 22 Abs. 2 FIDLEG).
Finanzdienstleister müssen sich einer Ombudsstelle anschliessen (Art. 77 FIDLEG). Voraussichtlich ab dem 1. Februar 2021 gilt diese Pflicht nicht mehr für diejenigen Finanzdienstleister, die ihre Dienstleistungen ausschliesslich gegenüber professionellen und institutionellen Kunden anbieten (BBl. 2020 Seite 7808). Vermögende Privatkunden mit Opting-out zu den professionellen Kunden gelten dabei als Privatkunden. Das SIF und die FINMA wollen die Lücke zwischen dem Ablauf der Übergangsfrist am 25. Dezember 2020 und dem 1. Februar 2021 durch bewusstes "Wegschauen" füllen (vgl. Mitteilung des SIF).
Delegation von Aufgaben an Dritte: Finanzdienstleister ziehen nur Personen bei, die über die für ihre Tätigkeit notwendigen Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen und über die für diese Tätigkeit erforderlichen Bewilligungen und Registereinträge verfügen, und instruieren und überwachen die beigezogenen Personen sorgfältig. Sie bleiben für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Kundeninformationen sowie die Einhaltung der Pflichten nach den Artikeln 8 ‐ 16 verantwortlich.
Interessenkonflikte, die bei der Erbringung von Finanzdienstleistungen entstehen können, sind durch angemessene organisatorische Vorkehrungen entweder zu vermeiden, oder es ist durch entsprechende Massnahmen die Benachteiligung der Kundinnen und Kunden durch Interessenkonflikte auszuschliessen (Art. 25 FIDLEG). Ist dies nicht möglich, so ist dies dem Kunden offenzulegen.
Retrozessionen: Finanzdienstleister dürfen im Zusammenhang mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen Entschädigungen von Dritten nur annehmen, wenn sie die Kunden vorgängig ausdrücklich über die Entschädigung informiert haben und diese darauf verzichten oder wenn sie die Entschädigung vollumfänglich an die Kunden weitergeben (Art. 26 Abs. 1 FIDLEG). Die Information der Kunden muss Art und Umfang der Entschädigung beinhalten und vor Erbringung der Finanzdienstleistung oder vor Vertragsabschluss erfolgen. Ist die Höhe des Betrags der Retrozessionen vorgängig nicht feststellbar, so informiert der Finanzdienstleister seine Kundinnen und Kunden über die Berechnungsparameter und die Bandbreiten. Auf Anfrage legen die Finanzdienstleister die effektiv erhaltenen Beträge offen.
Mitarbeitergeschäfte: Finanzdienstleister sehen Massnahmen vor, mit denen sich verhindern lässt, dass Mitarbeiter Informationen, über die sie nur aufgrund ihrer Funktion verfügen, missbräuchlich für Geschäfte auf eigene Rechnung nutzen. Sie erlassen eine interne Weisung über die erforderlichen Überwachungsmassnahmen.